Das Ziel unserer Reise kam nun langsam in Reichweite. Dort sollte über drei Tage eine Firmenkonferenz mit Socializing (vulgo Besäufnis) stattfinden. Der Weg dorthin sollte allerdings noch einmal beschwerlich werden. Ein Tankstopp war notwendig, so dass wir zur Mittagszeit nach den ersten Saftstationen Ausschau hielten. Die eMobility App zeigte eine Station von Wenea direkt neben der Autobahn an, so dass wir von dort abfuhren und die Energiequelle ansteuerten. Das Anflanschen an den Schnelllader ging noch, auch das Registrieren in der App, aber unser Gleiter verweigert die Nahrungsaufnahme. „DC-Ladegerät defekt“ sagt Kona, der Barbar. Auch das Restaurant nebenan ist geschlossen und verweigert die Nahrungsabgabe. Zum Glück gibt es vor der nächsten Autobahnabfahrt gleich die nächste Stromquelle, dumm nur, dass unsere Auffahrt an einer Baustelle scheitert und wir die Umleitung nehmen müssen, die uns direkt hinter dem Strom wieder auf die Autobahn führt.
Die Temperaturen sind inzwischen nicht mehr tropisch, so dass wir die umwegbedingte Reichweitenverluste durch Abschalten der Klimaanlage kompensieren können. Wenn Plan B nicht funktioniert, muss eben Plan C zum Einsatz kommen: wir suchen in den Apps nach dem nächsten Lader und werden bei einer der nachfolgenden Raststationen fündig. Noch einmal vom Gas gegangen (als E-Mobilist muss man umdenken: wenn man ankommen will, erhöht die Verringerung der Geschwindigkeit die Ankunftswahrscheinlichkeit) und dem Navi gefolgt, erreichen wir die Fossiltanke von Repsol mit – wir glauben unseren Augen nicht – einer nagelneuen Elektrotanksäule direkt neben den Kohlenstoffpumpen. Schon die Ladepistole in der Hand fällt ein Schild ins Auge, das ankündigt, dass an dieser Ladesäule erst in Kürze Spannung ansteht und man sich bis dahin leider noch etwas in Geduld üben müsse, bis ganz toller Ökostrom durch das Kabel fließt.
Langsam wächst die Unruhe: wie ging noch mal Plan D? Ich frage den Tankwart nach der nächsten Powerbude und er weist – oh Freude – auf die gegenüberliegende Seite der Autobahn. Die weitere Frage, ob die denn auch funktioniere, beantwortet er nur mit einem Achselzucken. Es hilft nichts, wir müssen es ausprobieren. Tatsächlich finden wir jenseits der Autobahnbrücke zwei Wenea-Säulen, die tatsächlich funktionieren. Jetzt noch zum Restaurant, denn auch der Automobilist will betankt werden. Das Restaurant ist leer, im Hintergrund spielt Charles Bronson das Lied vom Tod. Nachdem wir etwas Warten, ertönt eine Klospülung und der Besitzer kommt zum Vorschein, noch den Hosengürtel schließend. Er erläutert uns, was er alles NICHT hat und so belassen wir es bei einem Espresso und einem süßen Stückchen. Die 30 Minuten Aufenthalt reichen aus, um die 80% Leistung zur Weiterfahrt zu bekommen.
Wir schaffen es problemlos bis zu unserem Hotel Sancho, das uns mit einer kleinen aber feinen Tiefgarage mit Schuko-Stecker willkommen heißt. Bei diesem Hotel gibt es an sich nichts zu kritteln. Außer dass wir ein Zimmer neben dem Aufzug bekommen haben, so dass ab 7 Uhr die Nacht zu Ende war.
Wir haben am Anreisetag nur das Museum Reina Sofia (hier befindet sich Picassos „Guernica“ !) besuchen können und am Sonntag gechillt die Dachterasse des Hotels zum Aufarbeiten der liegengebliebenen eMails genutzt.
Am Sonntag abend konnten wir schließlich noch die Performance der israelischen Percussiontruppe Mayumana im Teatro Rialto auf der Gran Via bewundern.
Ansonsten waren 2 der 3 Tage der Konferenz gewidmet, während Andrea das Damenprogramm absolviert hat (Königspalast) und am dritten Tag – natürlich nach getaner Arbeit – unternahmen wir einen Ausflug zum geschichtsträchtigen Segovia in den nahen Bergen. Dort gibt es übrigens auch Skipisten, wo einer meiner spanischen Kollegen Skilehrer ist. Segovia ist neben seinem Königspalast im Disney-Stil (korrekterweise müßte man sagen, die Disney-Schlösser im Segovia-Stil) für sein Spanferkel weltberühmt.
Die Besonderheit hier ist, dass ein sehr junges Ferkel im Ofen gebacken wird und dann am Stück serviert wird. Es ist dann gar, wenn es mit einem Porzellanteller zerteilt werden kann (vom Chef persönlich) und in Segovia zeugt ein Denkmal von diesem Jahrhunderte alten Brauch. Nach der Völlerei (für die Vegetarier - nur 2 - gab es gegrilltes Gemüse) ging es weiter in die königlichen Gärten von LaGranja mit herrlichen Wasserspielen.
Exkurs:
Ich persönlich habe keine ethischen Bedenken Fleisch zu essen. Der Mensch ist ein Raubtier und das Universum ein großes Restaurant, in dem große Tiere kleine Tiere aufessen. Für mich beginnen die ethischen Bedenken bei Oktopussen, Affen (inkl. Homo Sapiens) und Meeressäugern, wohlwissend dass diese Grenzen rein willkürlich sind und man sich im Klaren sein muss, dass der Kannibale die Grenzen wohl etwas anders zieht. Aufgrund der geringen Kannibalendichte in unseren Breiten wird dies gerne ignoriert und die Entscheidung jedem selbst überlassen.
Meiner Meinung nach sollte eine zivilisierte Menschheit die zum Verzehr bestimmten Kreaturen vor der Schlachtung zum mindestens zivilisiert behandeln. Leider sind wir seit der Erfindung der industriellen Massentierhaltung in die Barbarei zurück gefallen. Prinzipiell scheint Bio-Fleisch, Fisch aus nachhaltiger Zucht / Fang, Wild und Schaf bzw. Ziege sowie Insekten akzeptabel zu sein, alles andere geht eigentlich nicht wirklich. Fakt ist aber auch, dass ca. 77% der Weltagrarflächen der Fleisch- bzw. Milchproduktion dienen (entweder direkt als Weidefläche oder indirekt zur Futtermittelproduktion) und dabei nur ca. 17% der weltweit benötigten Kalorien erzeugen (Quelle: FAO). Man muss kein Mathegenie sein, um zu erkennen, dass dies nicht nachhaltig sein kann. Damit bleibt eigentlich nur Fleisch von Flächen, die nicht anderweitig nutzbar sind, wie z.B. alpine Weiden. Konsequenterweise sind in diese Überlegungen auch die Milch- und Eierproduktion mit einzubeziehen, da dafür notwendigerweise Kälber geschlachtet und (männliche) Küken geschreddert werden müssen. Wer also auf Fleisch verzichtet und dafür tonnenweise Käse oder Eier ist, hat aus Umweltsicht nicht viel Gutes getan. Die Aspekte des Antibiotikamissbrauchs, der Nitratüberdüngung und der Lachgas- und Methanemissionen sind hierbei noch gar nicht berücksichtigt. Dies hier nur ein Denkanstoß, letztendlich muss das jeder für sich entscheiden.
Deswegen gibt es für jede Station wenn möglich einen Hinweis auf ein veggie/veganes Restaurant. Andrea muste sich im Madrid beim gemeinsamen Dinner mit gegrillten Artischocken zufrieden geben, obwohl unsere spanische Kollegen ihr Bestes gegeben haben, allen Geschmäckern gerecht zu werden. Dafür haben sie uns die Restaurantkette Lamucca empfohlen, die wir auch zweimal besuchten - es gibt eine gute Mischung veganer, vegetarischerer und Bio-Fleischgerichte.